Bei der letzten Sitzung des Parlaments der ECOWAS (Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft) hat Amnesty International einen Bericht zu Menschenrechtsverletzungen in der Region eingebracht. Dabei wurden die folgenden Punkte thematisiert.
Die Menschenrechtsverletzungen bestehen insbesondere vor dem Hintergrund des Fortbestehens der Konfliktsituationen in der Region und die damit einhergehenden Unsicherheiten in der Bevölkerung. Es kam vermehrt zu Völkerrechtsverbrechen, wobei immer wieder ZivilistInnen zu Opfern wurden. Verschiedene bewaffnete Gruppen haben auch 2021 und 2022 immer wieder Dörfer überfallen und Menschen getötet. In Mali wurden alleine im Jahr 2021 600 ZivilistInnen getötet, in Nigeria kam es aufgrund von verschiedenen Eskalationen zu beinahe 3.500 Todesfällen, tausenden Vertreibungen und über 5000 Entführungen. Auch im Niger und Burkina Faso wurden in den Jahren 2021 und 2022 mehrere Hundert Menschen getötet. Teilweise wurden die Tötungen auch durch Sicherheitskräfte oder Gruppen, die mit der Regierung kooperieren, durchgeführt.
In der Regel kommen die Täter straflos davon. Hinzu kommen hunderte Opfer von sexueller Gewalt eine unbekannte Anzahl an traumatisierten Kindern und Millionen von vertriebenen Personen. Teilweise fliehen diese Personen aufgrund der Gewalt, teilweise aber auch aufgrund der sozialen und wirtschaftlichen Unsicherheit. Allein 1,5 Millionen Menschen aus Burkina Faso sind vertrieben, die meisten sind in andere Gebiete des Landes geflohen. Aber auch in Mali und Niger gibt es große Fluchtbewegungen.
Dies alles schwächt das ohnehin instabile Gesundheits- und Wirtschaftssystem. In den Gesundheitssektor wurde seit Jahren viel zu wenig Geld investiert. Viele Menschen haben keinen Zugang zu Nahrung, Wasser und einer Gesundheitsversorgung. In den umkämpften Regionen haben Zehntausende Schülerinnen und Schüler keinen Zugang zur Bildung mehr, tausende Schulen sind geschlossen.
Es kommt in verschiedenen Ländern immer wieder zu Zwangsräumungen, um Geschäftstätigkeiten und den Ausbau der Infrastruktur zu erleichtern. Eine angemessene Entschädigung oder alternative Unterkunft wird oft nicht bereitgestellt.
In vielen Ländern gibt es noch geschlechterdiskriminierende Gesetze, beispielsweise im Bereich des Erb- und Familienrechts, auch wenn es teilweise Reformvorhaben gab. Diese waren jedoch oft aufgrund von Protesten der konservativen Kräfte nicht erfolgreich. Für Frauen und Mädchen besteht ein überproportionales Risiko Opfer von sexueller Gewalt zu werden. Die weibliche Genitalverstümmelung, Zwangsverheiratung, und der eingeschränkte Zugang zu Informationen im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit sind weiterhin große Probleme. Homosexualität wird in den Ländern immer noch kriminalisiert, wobei es große Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern gibt.
In mehreren Ländern wurden in den letzten Jahren Gesetze gegen Cyberkriminalität eingeführt, diese werden jedoch teilweise dazu genutzt Meinungsäußerungen von Akteuren der Zivilgesellschaft oder politischen Gegnern zu kriminalisieren. Diese Menschen werden dann wegen Verbreitung von Falschinformationen, Gefährdung der Staatssicherheit oder Verleumdung angezeigt und teilweise sogar inhaftiert.
Es gibt aber auch positive Entwicklungen: In Sierra Leone wurde die Todesstrafe abgeschafft. Amnesty International hat dabei unterstützt, dass mehrere Personen, die willkürlich aufgrund von Meinungsäußerungen inhaftiert wurden, freigelassen wurden. Ein ECOWAS-Gericht hat ein vor 10 Jahren verkündeten Erlass verurteilt, mit dem alle politischen motivierten Demonstrationen in einem Distrikt von Dakar verboten wurden. Das Twitter-Verbots in Nigeria wurde aufgehoben. Insgesamt ist das Bewusstsein der Menschen über ihre Rechte angestiegen.
Die komplette Rede findet sich (auf Englisch) hier.