Die Verurteilung eines ehemaligen liberianischen Rebellenführers wegen Kriegsverbrechen in Liberia durch ein französisches Gericht ist ein Meilenstein auf dem Weg zur Gerechtigkeit für die Opfer sowie für Frankreichs Bemühungen, die Verantwortlichen für derartige Verbrechen zur Rechenschaft zu ziehen.
Das Pariser Strafgericht verkündete am 2. November 2022 sein – bisher nicht rechtskräftiges – Urteil im Prozess gegen Kunti Kamara, auch bekannt als Kunti K. oder CO Kunti, und sprach ihn, unter anderem wegen Beteiligung an Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie Täterschaft bezüglich Folter und “barbarische Handlungen” schuldig. Er ist ein ehemaliges Mitglied der Rebellengruppe United Liberation Movement of Liberia for Democracy (ULIMO), die während des ersten liberianischen Bürgerkrieges aktiv war. Die Richter verurteilten ihn zu einer lebenslangen Haftstrafe. Während des knapp vierwöchigen Prozesses berichteten Zeugen von Tötungen, Vergewaltigungen, Schlägen, Zwangsarbeit und Folter durch ULIMO-Mitglieder. Einige Betroffene identifizierten Kamara dabei als direkt an den Verbrechen beteiligt.
Universelle Gerichtsbarkeit
Der Prozess in Frankreich war möglich, weil das französische Recht die universelle Zuständigkeit für bestimmte schwere Verbrechen anerkennt, die nach dem Völkerrecht strafbar sind, was die Verfolgung dieser Verbrechen unabhängig vom Tatort und der Nationalität der Verdächtigen oder Opfer ermöglicht. Die Anwendung der universellen Gerichtsbarkeit in Frankreich wird jedoch durch mehrere rechtliche Hindernisse eingeschränkt und dafür auch öffentlich kritisiert. Dazu gehört das Erfordernis, dass die Angeklagten ihren “gewöhnlichen Aufenthalt” in Frankreich haben müssen und dass die Verbrechen, auch wenn sie laut Völkerrecht verboten sind, nach dem Strafrecht des Landes, in dem sie begangen wurden, ausdrücklich strafbar sein müssen, außer in Fällen von Völkermord. Außerdem liegt es im Gegensatz zu anderen Straftaten in Frankreich im Ermessen der Staatsanwaltschaft, ob sie ein Verfahren einleitet, und die französischen Staatsanwälte müssen prüfen, ob ein nationales oder internationales Gericht zuständig ist, bevor sie eine Untersuchung einleiten.
Verurteilungen im Hinblick auf den Bürgerkrieg
Verurteilungen wegen Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Folter während der Zeit des liberianischen Bürgerkriegs sind selten. Alieu Kosiah wurde 2021 in der Schweiz wegen Kriegsverbrechen verurteilt; gegen das Urteil wird derzeit Berufung eingelegt. Charles “Chuckie” Taylor jr., der Sohn des damaligen liberianischen Staatschefs, wurde 2008 in den Vereinigten Staaten wegen Folter verurteilt.
Liberia hat bisher nicht versucht, die weit verbreiteten und systematischen Verstöße gegen die internationalen Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht, die von allen Parteien während der liberianischen Bürgerkriege begangen wurden, strafrechtlich zu verfolgen. Charles Taylor wurde lediglich für Verbrechen im benachbarten Sierra Leone vor dem von der UN unterstützten Sondergerichtshof für Sierra Leone angeklagt.
Kunti Kamara wurde 2018 verhaftet, nachdem die Organisation Civitas Maxima die französischen Behörden auf seinen Fall aufmerksam gemacht hatte. Nach zweijährigen Ermittlungen, einschließlich einer zweiwöchigen Erkundungsmission in Lofa County im Nordwesten Liberias, wo er die lokale ULIMO-Fraktion angeführt haben soll, beschuldigte ihn die französische Staatsanwaltschaft verschiedener Verbrechen.
Die vollständige Pressemitteilung findet ihr hier.
Nachtrag: Die Verteidiger:innen von Kamara haben Berufung gegen das Urteil eingelegt und stützen sich auf einen Mangel an Beweisen für dessen direkte Tatbeteiligung. Der Termin für eine neue Verhandlung ist bisher nicht bekannt.