Seit 2019 starben mehr als 100 Menschen in Guinea durch Polizeigewalt und Hunderte weitere wurden schwer verletzt, darunter auch Kinder. Leben wurden zerstört, Familien sind zerbrochen und junge Menschen sind aufgrund schwerer Traumatisierung fürs Leben gezeichnet. In einer aktuellen Petition könnt ihr euch dafür einsetzen, dass sie Gerechtigkeit erfahren und Zugang zu einer angemessenen Gesundheitsversorgung erhalten.
Worin besteht das Problem?
Der Bericht „Une jeunesse meurtrie: Urgence de soins et de justice pour les victimes d’utilisation illégale de la force en Guinée“ (auf Deutsch in etwa: „Verletzte Jugend: Medizinische Versorgung und Gerechtigkeit für Opfer rechtswidriger Gewaltanwendung in Guinea dringend erforderlich“) dokumentiert die anhaltende Unterdrückung von Protesten durch die Sicherheitskräfte in Guinea. Der Bericht zeigt ebenfalls die anhaltenden Hindernisse für die Betroffenen beim Zugang zu medizinischer Versorgung und zu Gerechtigkeit.
Seit 2019 wurden mindestens 113 Menschen von Verteidigungs- und Sicherheitskräfte bei Demonstrationen unter der aktuellen und der Vorgängerregierung getötet und Hunderte schwer verletzt. Trotz der Versprechen der Übergangsregierung CRND, das Problem der exzessiven Gewaltanwendung und rechtswidriger Tötungen unter Alpha Condé anzugehen, bestehen diese schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen weiter.
Traumatisierte Kinder und Jugendliche
Von den insgesamt mindestens 47 Personen, die bis zum 22. April 2024 bei Protesten unter dem CNRD getötet wurden, waren laut einer Zählung von Amnesty International über 75 % jünger als 25 Jahre und 40 % jünger als 18 Jahre. Ein großer Teil der für den Bericht befragten Verletzten waren ebenfalls Kinder und Jugendliche.
Unter ihnen befand sich der 16-jährige Elhadj Bailo Diallo. Er wurde von einer Tränengaspatrone getroffen, die von Personen abgefeuert wurde, die er als Angehörige der Verteidigungs- und Sicherheitskräfte identifizierte, und verlor dadurch das Augenlicht auf seinem rechten Auge.
Thierno Madiou Diallo, ebenfalls 16 Jahre alt, erlitt eine Schussverletzung und musste sich einer Beinamputation unterziehen. Die Jüngste unter den Verletzten war ein neunjähriges Mädchen, das in ihrem Haus von einem Querschläger getroffen wurde.
Aufgrund der Traumatisierung mussten viele der Verletzten die Schule abbrechen oder sie wurden arbeitsunfähig. So auch Souleymane Diallo, der 2024 eine Schussverletzung erlitten hatte. Er sagte: „Die Schmerzen halten an und ich kann nicht lange stehen. Ich liege im Bett und sehe zu, wie meine Mutter arbeitet, um über die Runden zu kommen“.
Kein Zugang zu einer angemessenen Gesundheitsversorgung
Der Bericht belegt außerdem, dass Personen, die bei Demonstrationen schwere Verletzungen durch die Verteidigungs- und Sicherheitskräfte erlitten, nicht rechtzeitig medizinisch versorgt wurden, da diese die medizinische Evakuierung verhinderten oder verzögerten, was gegen guineisches und internationales Recht verstößt. Laut den von Amnesty International gesammelten Augenzeugenberichten ließen die Verteidigungs- und Sicherheitskräfte schwer verletzte Opfer absichtlich am Ort des Geschehens zurück, statt ihnen Hilfe zu leisten. Betroffene wurden auch festgenommen und ohne medizinische Versorgung inhaftiert – manchmal über mehrere Tage.
Mamadou Sadjo Baldé wurde bei einer Demonstration schwer verletzt, nachdem er von einem Fahrzeug erfasst worden war, das von Personen gesteuert wurde, die er als Angehörige der Verteidigungs- und Sicherheitskräfte identifizierte. „Nachdem sie mich angefahren hatten, stiegen sie aus dem Fahrzeug aus, traten mich zweimal, stiegen wieder in das Fahrzeug und fuhren davon“, sagte er Amnesty International.
Laut mehreren Augenzeugenberichten weigerten sich einige medizinische Mitarbeiter in öffentlichen und privaten Gesundheitszentren, Verletzte zu behandeln, weil sie Vergeltungsmaßnahmen der Behörden befürchteten, die stets versuchten, das Ausmaß der Repression herunterzuspielen.
Schließlich konnten sich viele Menschen aus einfachen Verhältnissen keine angemessene Gesundheitsversorgung leisten, da es keine Entschädigung für die Verletzten gab, was oft dramatische Folgen hatte. Unter ihnen war Alpha Oumar Diallo, der nach einer Schussverletzung bei einer Demonstration im Jahr 2019 querschnittsgelähmt war und im September 2023 starb, weil er nicht für eine angemessene Gesundheitsversorgung zahlen konnte.
Straflosigkeit der Täter
Seit 2019 gab es nur wenige Verurteilungen von Mitgliedern der Verteidigungs- und Sicherheitskräfte wegen rechtswidriger Gewaltanwendung. Mehrere Gerichtsverfahren wurden vom CNRD angekündigt oder tatsächlich eingeleitet, aber es gibt nur wenige öffentlich zugängliche Informationen über ihren Verlauf, und sie betreffen hauptsächlich Fälle von rechtswidriger Tötung. Überlebende haben in der Regel keinen Zugang zu Gerechtigkeit und Wiedergutmachung.
Die Verletzten und die Familien der Opfer haben in den allermeisten Fällen auf eine Klage verzichtet, weil sie kein Vertrauen in das Justizsystem haben, Vergeltungsmaßnahmen befürchten oder keine finanziellen Mittel haben.
Bis heute sind Versammlungen völkerrechtswidrig verboten, die Verteidigungs- und Sicherheitskräfte setzen weiterhin tödliche Waffen ein und zivilgesellschaftliche Organisationen und die Medien berichten weiterhin über Todesfälle und Verletzte infolge rechtswidriger Gewaltanwendung.
Setzt euch dafür ein, dass die guineischen Behörden die Rechte auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit garantieren, die Grundsätze des Völkerrechts über die Anwendung von Gewalt und Schusswaffen durch Ordnungskräfte einhalten und sicherstellen, dass jede Person, die bei Demonstrationen verletzt wird, schnell medizinisch versorgt wird!
Dafür könnt ihr die folgende Petition (auf Englisch) unterzeichnen: https://www.amnesty.org/en/petition/justice-pour-une-jeunesse-meurtrie-guinee/