Das Amnesty-Regionalbüro West- und Zentralafrika in Dakar ist für die Arbeit der Organisation in der Sahelregion zuständig. Sarah Matthewson untersucht Menschenrechtsverletzungen und unterstützt Aktivist*innen.
Von Felix Haug
Sarah Matthewson muss nicht lange überlegen, wenn man sie nach dem Ziel ihrer Arbeit im Amnesty-Regionalbüro in Dakar, der Hauptstadt des Senegal, fragt: “Menschenrechtsarbeit kämpft dafür, dass die grundlegenden Rechte aller Menschen ohne Unterschied anerkannt und geachtet werden, indem sie die Gesetze und die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Strukturen ändert, die einer Ausgrenzung zugrunde liegen.”
Erfolg und Motivation sind für Matthewson die “Briefe gegen das Vergessen”, die Personen in Gefahr unterstützen. So setzt sich Amnesty zum Beispiel für die Kamerunerin Dorgelesse Nguessan ein, die lediglich an einer Protestkundgebung teilnahm und deshalb im Gefängnis sitzt. “Ich habe unmittelbar erfahren, wie viel ihr und ihrer Familie die Solidarität und Unterstützung von Amnesty bedeuten”, berichtet Matthewson. “Das hat sie in dieser schwierigen Zeit aufrechterhalten.”
Großes Netzwerk in der Region
Es sei bereits ein großer Erfolg, wenn die Kommunikation zwischen einer zuvor isolierten und verängstigten Person und den Mitgliedern der weltweit größten Menschenrechtsorganisation ermöglicht werde. “Die Zusammenarbeit mit beeindruckenden, teilweise inhaftierten Menschenrechtsverteidiger*innen, die mit großer Entschlossenheit ihr Leben selbstlos der Gerechtigkeit widmen, hat mich darin bestärkt, weiterzumachen und mich noch mehr einzusetzen”, sagt Matthewson.
Das Amnesty-Team in Dakar bezieht die für seine Arbeit relevanten Informationen aus einem großen Netzwerk in den Ländern der Region. Es gibt Verbindungen zu NGOs und Journalist*innen, aber auch Kontakte zu Regierungen, den Vereinten Nationen und anderen Institutionen. Die Mitarbeiter*innen verfolgen täglich die klassischen Medien und die Online-Netzwerke und vertiefen und überprüfen die Informationen mithilfe ihrer Kontakte. Außerdem unternehmen sie monatelange Hintergrundrecherchen und Besuche vor Ort. “Bei diesen Besuchen befragen wir Betroffene, aber auch Personen aus zivilgesellschaftlichen und institutionellen Kreisen, die mit den Menschenrechtsverletzungen befasst sind”, berichtet Matthewson. Eigene Recherchen würden durch möglichst viele Quellen überprüft.
Die größte Herausforderung bei ihrer Arbeit sind die beschränkten Mittel. “Wir alle würden gerne mehr tun”, sagt Matthewson. “In Zentralafrika gibt es so viele verheerende Verletzungen der Grundrechte, die ein enormes Hindernis für Frieden, Fortschritt und Wohlstand in der Region darstellen.” Manchmal könne Amnesty nicht mehr tun, als auf Probleme hinzuweisen, manchmal gelinge es jedoch auch, Regierungen und Institutionen zu nachhaltigeren Maßnahmen zu bewegen.
Die künftige Entwicklung der Region sieht Matthewson ambivalent. Zwar verfügten die Länder über reiche Ressourcen und die Eliten über hohe Einkommen. Die Mehrheit der Menschen sei jedoch immer noch arm und benachteiligt, was Bildung, Gesundheitsversorgung, Wohnraum, Beschäftigung und eine gesunde Umwelt betreffe. Die Klimakrise und totalitäre Regime seien eine weitere Gefahr. “Auf der anderen Seite gibt es so viele unglaubliche Menschen, Bewegungen und Organisationen, die sich dafür einsetzen, dass die Rechte in ihren Ländern geachtet werden. Diese Menschen geben uns Hoffnung.”
Der Autor Felix Haug ist in der Amnesty-Koordinationsgruppe Westafrika zuständig für die Länder Tschad und Kamerun. Er hospitierte 2022 für drei Wochen im Amnesty-Büro in Dakar. Das Interview ist zuerst im Amnesty Journal, Ausgabe 3/24 erschienen.