Am 18.4.2024 konnten wir in der guineischen Botschaft eine Petition mit mehr als 1000 Unterschriften gegen sexualisierte Gewalt im Land überreichen. Nach einer Mahnwache vor dem Gebäude wurden wir in der Botschaft empfangen und konnten die Forderungen von Amnesty International vorbringen. Vielen Dank an alle, die sich an der Aktion beteiligt haben!
Hintergrund
Am 27.09.2022 wurde der Bericht „Shame must change sides: Ensuring rights and justice for victims of sexual violence in Guinea“ (Dt. in etwa: „Schämen sollten sich die anderen. Recht und Gerechtigkeit für Überlebende sexualisierter Gewalt in Guinea wahren.“) veröffentlicht. Folgende zentrale Ergebnisse gingen aus dem Bericht hervor:
Die Mehrheit der Fälle ereignet sich innerhalb der Familie oder der Nachbarschaft. Sexualisierte Gewalt wird durch patriarchale Gesellschaftsstrukturen sowie religiöse und traditionelle Instanzen begünstigt. Diese stehen zum Teil über den staatlichen Gesetzen. Die Überlebenden werden häufig für die Vergewaltigung verantwortlich gemacht, da sie es aufgrund ihres Kleidungsstils „herausgefordert hätten“ oder weil sie sich an einem bestimmten Ort aufhielten. Deshalb schweigen viele Überlebende.
Die medizinische und psychologische Versorgung ist häufig aufgrund mangelnder finanzieller Mittel unzureichend und das Gesundheitssystem nicht zugänglich oder von schlechter Qualität, insbesondere außerhalb der Hauptstadt. So gibt es in der Region Mamou für fast eine Millionen Einwohner*innen nur einen Gynäkologen. Es gibt keine funktionierende Hotline, die Überlebenden Beratung bietet. Beratungszentren entstehen langsam, sind jedoch noch nicht in ausreichender Zahl vorhanden.
Der Zugang zur Justiz ist eingeschränkt. Traditionelle Instanzen drängen zum Teil auf eine außergerichtliche Klärung. Reichen Überlebende Klage ein, werden sie häufig bedroht und es wird Druck auf sie ausgeübt, auch innerhalb der Familie. Außerdem haben viele Betroffene Angst, aufgrund der Stigmatisierung nicht mehr verheiratet werden zu können.
Die zuständigen Stellen innerhalb der Polizei und der Gendarmerie werden ebenfalls häufig kritisiert – die Probleme sind teils auf mangelnde Mittel, teils auf unangemessenes Verhalten zurückzuführen. Der Zugang zur Gerichtsmedizin ist stark eingeschränkt und häufig nur in der Hauptstadt gegeben. Für die Bevölkerung von ca. 13 Mio. Einwohner*innen gibt es nur ungefähr 15 Gerichtsmediziner*innen. Die Rechtskosten stellen aufgrund mangelnder Beihilfe ebenfalls eine Hürde dar. Schließlich sind die Verfahren häufig lang und die Urteile zum Teil unangemessen angesichts der Schwere der Straftaten.
Seit 2015 haben die guineischen Behörden Maßnahmen gegen sexualisierte Gewalt, insbesondere gegen Vergewaltigungen, ergriffen. Der rechtliche Rahmen wurde gestärkt, Sensibilisierungskampagnen und Schulungen durchgeführt und die Bearbeitung der Fälle durch eine Justizreform beschleunigt. Innerhalb der Gendarmerie wurde eine Sonderbrigade zum Schutz gefährdeter Personen (BSPPV) eingerichtet. Die Übergangsregierung hat sich verpflichtet, wirksam gegen sexualisierte Gewalt vorzugehen.
Trotz dieser Anstrengungen zeigt der Bericht, dass Guinea seinen internationalen Verpflichtungen zur Prävention von sexualisierter Gewalt, zum Schutz der Betroffenen und im Kampf gegen die Straflosigkeit nicht ausreichend nachkommt.