Behörden müssen Berichte über mehr als 300 ungesetzliche Tötungen während der Niederschlagung von Protesten nach den Wahlen untersuchen |
BERLIN, 03.03.2025 – Amnesty International fordert die mosambikanische Regierung unter der Führung der Frelimo auf, die Berichte über weit verbreitete Menschenrechtsverletzungen während der anhaltenden Niederschlagung der Proteste nach den umstrittenen nationalen Wahlen zu untersuchen und die Ergebnisse zu veröffentlichen.
Nach der Ermordung zweier prominenter Oppositionspolitiker kam es am 21. Oktober 2024 zu landesweiten Demonstrationen. Seitdem gab es glaubwürdige Berichte über weit verbreitete Menschenrechtsverletzungen, bei denen mehr als 300 Menschen getötet wurden, darunter auch Kinder und Passant*innen, bei dem Versuch, die Proteste niederzuschlagen, wobei die überwiegende Mehrheit der Todesfälle den Sicherheitskräften angelastet wurde, wie Beobachtungsgruppen ermittelten. Außerdem haben die Regierungstruppen mehr als 700 Menschen durch Schüsse verletzt und Tausende willkürlich inhaftiert. In den Haftanstalten soll es zu Folter und anderen Misshandlungen kommen. Die staatlichen Behörden haben Berichten zufolge auch Journalist*innen ins Visier genommen, den Internetzugang eingeschränkt und das Militär gegen Demonstrierende eingesetzt.
„Die Niederschlagung der Proteste in Mosambik nach den Wahlen im vergangenen Jahr war entsetzlich. Es ist der blutigste Wahlzyklus in der Geschichte Mosambiks nach dem Bürgerkrieg, und die mutmaßlichen Täter genießen völlige Straffreiheit“, sagte der stellvertretende Regionaldirektor für das östliche und südliche Afrika von Amnesty International, Khanyo Farisè.
„Mosambiks neue Regierung muss umgehend unabhängige, wirksame und gründliche Untersuchungen aller Todesfälle, Folterungen und anderer Misshandlungen sowie anderer gemeldeter Menschenrechtsverletzungen einleiten und dafür klare Zeitvorgaben für die Veröffentlichung der Ergebnisse setzen. Präsident Daniel Chapo muss seine Bereitschaft unter Beweis stellen, diese Straflosigkeit zu durchbrechen, indem er sich für umgehende Untersuchungen einsetzt und die uneingeschränkte Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden sicherstellt. Außerdem muss er für eine wirksame Entschädigung der Opfer und Überlebenden sorgen und seine Autorität nutzen, um Menschenrechtsverletzungen durch Sicherheitskräfte während der Proteste zu beenden.“
Zum Hintergrund
Am 9. Oktober 2024 fanden in Mosambik Parlamentswahlen statt. Nach den vorläufigen Ergebnissen lag der Kandidat der regierenden Frelimo-Partei, Daniel Chapo, in Führung vor dem von der Oppositionspartei PODEMOS unterstützten Kandidaten Venancio Mondlane, der die Auszählung anzweifelte.
Inmitten weit verbreiteter Vorwürfe der Wahlmanipulation überfielen Unbekannte am 19. Oktober in Maputo ein Auto und durchlöcherten es mit Kugeln. Dabei wurden der hochrangige PODEMOS-Funktionär Paulo Guambe und Mondlanes Rechtsberater Elvino Dias getötet.
Am 21. Oktober gingen Menschen zu Protesten auf die Straße. Hierzu hatte Mondlane aufgerufen und die Demonstrationen breiteten sich schnell über das ganze Land aus. In den folgenden Tagen und Wochen reagierte die Polizei mit rechtswidriger und bisweilen tödlicher Gewalt, wobei Berichten zufolge auch Tränengas in Gebäude geschossen und Geschosse auf Demonstrierende abgefeuert wurden.
Anfang November, nachdem bereits mehr als 20 Tote gemeldet wurden, setzten die Behörden das Militär ein.
Bis Mitte Dezember stieg die Zahl der gemeldeten Todesopfer auf über 100, wobei in einer einzigen Woche mindestens 34 Menschen getötet wurden. Am 23. und 24. Dezember verzeichnete die Zivilgesellschaft mehr als 50 Tote, als der Verfassungsrat Chapo zum Wahlsieger erklärte.
In der zweiten Januarwoche 2025 stieg die Zahl der Toten auf 300, und bei den Protesten anlässlich der Amtseinführung von Chapo am 15. Januar wurden acht weitere Menschen getötet. Die Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit den Protesten hat sich fortgesetzt, und seit der Amtseinführung wurden mehr als ein Dutzend weitere Todesfälle bei Demonstrationen verzeichnet.
Darüber hinaus gab es Dutzende Vorfälle, die von den Protesten unabhängig waren, wie mutmaßliche Entführungen, Tötungen und Fälle von zwangsweisem Verschwindenlassen. Dazu gehört auch, dass am 07. Januar der Oppositionspolitiker und Journaliste Arlindo Chissale verschwunden sein soll.
Die Unterdrückung der Proteste hat die Wut der Bevölkerung immer wieder angefacht und offenbar zu Vergeltungsschlägen geführt. Bernardino Rafael, der bis zu Chapos Amtsantritt Polizeikommandant war, gab die Ermordung von 17 Polizeibeamten während der Unruhen bekannt.
Ein Wahlbeamter wurde ebenfalls getötet, angeblich von einem Mob als Vergeltungsmaßnahme für angebliche Wahlfälschungen.
„Die Wahlen sind vorbei, aber die Berichte über Menschenrechtsverletzungen reißen nicht ab“, sagte Khanyo Farisè. „Die mosambikanischen Sicherheitskräfte müssen ihr hartes Durchgreifen einstellen, die unrechtmäßige Tötung von Menschen bei Protesten beenden und ihre Menschenrechtsverpflichtung erfüllen, Proteste zu respektieren, zu erleichtern und zu schützen. Die Behörden müssen die Menschen auch vor Entführungen und gewaltsamem Verschwindenlassen schützen und alle Personen, die wegen friedlicher Proteste oder Meinungsäußerungen willkürlich inhaftiert wurden, unverzüglich und bedingungslos freilassen.“
Wie geht es weiter?
Bislang wurde noch niemand für rechtswidrige Tötungen und andere Menschenrechtsverletzungen nach den Wahlen zur Rechenschaft gezogen.
Am 22. November 2024 teilte die Kriminalpolizei mit, dass eine Untersuchung der Todesfälle von Guambe und Dias im Gange sei, aber seither gab es keine Neuigkeiten über den Stand der Ermittlungen. Ende Januar sagte Präsident Chapo in einem Interview, dass seine Regierung „daran arbeiten werde, die Situation“ in Bezug auf die Beteiligung der Sicherheitskräfte am Tod von Zivilisten zu untersuchen, aber er hat keine weiteren Einzelheiten bekannt gegeben.
In der Zwischenzeit kündigte der mosambikanische Generalstaatsanwalt am 4. Februar die Einleitung von 651 Straf- und Zivilverfahren im Zusammenhang mit „Todesfällen, Körperverletzungen oder der Zerstörung von öffentlichem oder privatem Eigentum infolge gewaltsamer Proteste“ an, ohne jedoch anzugeben, ob diese Fälle Sicherheitskräfte, Zivilisten oder beide betreffen.
„Um dieses schreckliche Kapitel abzuschließen, müssen die mosambikanischen Behörden den Status der verschiedenen bereits angekündigten Untersuchungen und Fälle offenlegen und umfassende, glaubwürdige und transparente Untersuchungen aller Menschenrechtsverletzungen einleiten, die während der Niederschlagung nach den Wahlen begangen wurden“, sagte Khanyo Farisè.