Mosambikanische Sicherheitskräfte haben bei der weit verbreiteten Niederschlagung der Proteste nach den Wahlen im vergangenen Oktober rücksichtslose und unverhältnismäßige Gewalt angewendet, was zu unrechtmäßigen Tötungen und verheerenden Verletzungen führte, so Amnesty International in einem neuen Bericht.
Der Bericht vom 16.04.2025 “Protest under attack: Human rights violations during Mozambique’s post-2024 election crackdown” dokumentiert, dass Sicherheitskräfte tödliche Waffen, Tränengas und kinetische Geschosse (allgemein bekannt als “Gummigeschosse”) auf Demonstrierende und Umstehende, darunter auch Kinder, abfeuerten. Die Beamt:innen nahmen auch willkürliche Massenverhaftungen vor und gingen gegen Journalist:innen vor, indem sie sie einschüchterten und ihre Ausrüstung konfiszierten. Außerdem war der Internetzugang zu wichtigen Zeitpunkten eingeschränkt worden.
„Die tödliche Niederschlagung durch die mosambikanischen Sicherheitskräfte war eine beschämende Überreaktion auf die Proteste nach den Wahlen“, sagte Khanyo Farise, stellvertretender Regionaldirektor von Amnesty International für das östliche und südliche Afrika. „Anstatt den Beschwerden der Menschen Gehör zu schenken und ihnen die Möglichkeit zu geben, ihre Anliegen zu äußern, hat die FRELIMO-geführte Regierung eine Welle der Gewalt auf die Demonstrationen losgelassen, die zu schweren Verletzungen, unrechtmäßigen Todesfällen und einer Reihe anderer Menschenrechtsverletzungen führte.“
„Wenn die neue Regierung von Präsident Daniel Chapo das Blatt wenden will, muss sie für eine gründliche und transparente Untersuchung aller mutmaßlichen Menschenrechtsverletzungen sorgen, die während der Niederschlagung begangen wurden, und die mutmaßlichen Täter zur Rechenschaft ziehen“, sagte Khanyo Farise.
Am 9. Oktober 2024 fanden in Mosambik Parlamentswahlen statt. Kurz darauf erhoben die Oppositionspartei PODEMOS und der von ihr unterstützte Kandidat Venâncio Mondlane den Vorwurf der Wahlmanipulation zugunsten der Regierungspartei FRELIMO und ihres Kandidaten Daniel Chapo. Am 21. Oktober brachen Proteste aus, die sich über das ganze Land ausbreiteten und bis zu Chapos Amtseinführung am 15. Januar anhielten.
Die Zivilgesellschaft meldet mehr als 300 Tote und mehr als 3.000 Verletzte zwischen dem 21. Oktober und dem 16. Januar. Die Polizei beziffert die Zahl der Toten bei Protesten auf 96, darunter 17 Polizist:innen.
Der neue Bericht von Amnesty International stützt sich auf 105 verifizierte Videos und Fotos sowie auf die Auswertung anderer öffentlich zugänglicher Informationen und auf 28 Interviews, hauptsächlich mit Zeug:innen und Überlebenden, die zwischen Oktober 2024 und Januar 2025 geführt wurden.
Die mosambikanischen Behörden haben auf die Bitte von Amnesty um Stellungnahme nicht reagiert.
„Völlige Missachtung der Sicherheit“
Die Recherchen von Amnesty International bestätigten zahlreiche Fälle, in denen Sicherheitskräfte mit Gewehren oder Handfeuerwaffen des Typs AK auf Demonstrierende schossen, von der Erschießung eines Bloggers am 12. Dezember 2024, der eine Demonstration per Livestream übertrug, bis zum Tod von drei Menschen am 9. Januar 2025, als die Polizei auf eine friedliche Menge schoss, die auf den Oppositionsführer Mondlane wartete.
Die rücksichtslose Gewaltanwendung der Sicherheitskräfte führte auch zu Verletzungen wie Knochenbrüchen, inneren Blutungen, Organschäden, Brustverletzungen und Atemproblemen, auch bei Umstehenden und Kindern im Alter von neun Jahren. Einige Überlebende erleiden dauerhafte Behinderungen, unter anderem durch Amputationen. Mindestens drei Personen können nicht mehr gehen.
Die Polizei hat auch rücksichtslos und unrechtmäßig Tränengas und kinetische Geschosse abgefeuert, oft ohne Vorwarnung und ohne dass es zu Gewalt seitens der Demonstrierenden gekommen war.
In mindestens zwei Fällen feuerten die Sicherheitskräfte Tränengas direkt auf Menschen, was zu schweren Verletzungen führte. Die Polizei warf auch Tränengas in die Häuser von Personen – obwohl dessen Einsatz in geschlossenen Räumen verboten und äußerst gefährlich ist – und schoss Kanister auf eindeutig identifizierbare Journalist:innen, die dadurch verletzt wurden.
Die Sicherheitskräfte feuerten mit weniger tödlicher Munition auf Personen, die keine Bedrohung für die Polizei oder die Demonstrationen darstellten, und schossen unter anderem jemandem aus einem fahrenden Fahrzeug in den Kopf und eröffneten das Feuer auf Demonstrierende, die mit erhobenen Händen auf der Straße knieten.
Während einer Demonstration am 27. November in Maputo fuhren Soldat:innen in einem gepanzerten Kampffahrzeug mit hoher Geschwindigkeit auf eine Frau zu, die dabei schwer verletzt wurde, und fuhren dann ungebremst davon, wobei sie ihren reglosen Körper auf dem Asphalt liegen ließen.
Die Polizei nahm außerdem willkürlich massenhaft Demonstrierende und Umstehende, darunter auch Kinder, fest, wobei es Berichte über Folter oder andere Misshandlungen in der Haft gab.
„Wir haben immer wieder dokumentiert, dass die mosambikanische Polizei und das Militär während der Proteste die Sicherheit der Menschen völlig missachtet haben“, sagte Khanyo Farise. „Es gibt keine Rechtfertigung für diese rücksichtslose und bisweilen tödliche Gewaltanwendung.“
Zeit für Gerechtigkeit
Bislang haben die Opfer und Angehörigen, die mit Amnesty International sprachen, keine Gerechtigkeit für die an ihnen begangenen Menschenrechtsverletzungen erhalten.
Am 22. Januar 2025 erklärte Präsident Chapo in einem Medieninterview, dass seine Regierung die Situation untersuchen werde, und räumte den Tod sowohl von Bürger:innen als auch von Polizist:innen ein.
Am 4. Februar kündigte der Generalstaatsanwalt von Mosambik, Américo Julião Letela, 651 Straf- und Zivilverfahren im Zusammenhang mit Todesfällen, Verletzungen und Sachbeschädigungen bei Protesten an, aber die Behörden haben keine weiteren Einzelheiten bekannt gegeben.
Andere Fälle sind ins Leere gelaufen. Ein Mann, der in Gewahrsam geschlagen wurde, reichte Mitte Januar eine Beschwerde gegen die Polizei ein, doch diese hat bisher nicht reagiert. Amnesty International bestätigte, dass die Armee die Krankenhausrechnungen für die Frau bezahlt hat, die sie mit einem gepanzerten Fahrzeug angefahren hatte, aber sie hat ihr keine Entschädigung gezahlt.
In der Zwischenzeit behauptete der Oppositionsführer Mondlane, dass Präsident Chapo bei einem Treffen zugestimmt habe, dass der mosambikanische Staat die medizinische Versorgung der Verletzten bezahlen, die Familien der Getöteten entschädigen und ihnen psychologischen Beistand leisten und alle im Zusammenhang mit den Protesten Verhafteten begnadigen würde. Mondlane erwähnte jedoch keine Pläne zur strafrechtlichen Verfolgung der mutmaßlichen Täter, und Präsident Chapo hat die Darstellung des Oppositionsführers nicht bestätigt.
„Leider sehen wir kein umfassendes Engagement von Präsident Chapo und seiner Regierung, Gerechtigkeit und Verantwortlichkeit für Menschenrechtsverletzungen zu gewährleisten“, sagte Khanyo Farise. „Medizinische Versorgung, Entschädigung und Begnadigung sind zwar absolut notwendig, aber Rechenschaft erfordert, dass alle mutmaßlichen Täter:innen in fairen Prozessen nach gründlichen und transparenten Untersuchungen vor Gericht gestellt werden.“