Mali

Aktuelles zu Covid-19
Infolge steigender Infektions- und Todeszahlen aufgrund der Corona-Pandemie wurde in Mali der medizinische Notstand ausgerufen. Neben nächtlichen Ausgangssperren und geschlossener Grenzen sind auch die Schulen im Land geschlossen. Zudem ist derzeit die europäische Ausbildungsmission EUTM vorübergehend ausgesetzt, nachdem erste Fälle in den Reihen der Soldaten aufgetreten sind. Trotz der Infektionsgefahr wurden im März die Parlamentswahlen durchgeführt. Der aktuelle Notstand birgt das Risiko, dass sich islamistische Gruppen weiter ausbreiten.

Hintergrund
Im Jahr 2012 erschütterte eine schwere Krise den westafrikanischen Wüstenstaat. Nach einem Militärputsch in der Hauptstadt Bamako nutzten radikale Gruppen (u.a. MUJAO, Ansar Dine etc.) das entstandene Machtvakuum im Norden des Landes, um das islamische Recht der Scharia in diesen Gebieten einzuführen. Neun Monate lang hatten die Malier_innen, die schon jahrzehntelang einen moderaten Islam lebten, unter drakonischen Strafen und einschränkenden Lebensbedingungen zu leiden. Frauen wurden vergewaltigt, Dieben wurden die Hände amputiert, Ehebrecher_innen wurden gesteinigt und Musiker_innen ihre Leidenschaft verboten. Timbuktu – die Stadt der 333 Heiligtümer mit einem unermesslichen Schatz an kulturellen Bauwerken und Schriften – wurde zu großen Teilen zerstört. Viele Menschen flohen in den Süden des Landes und in die Nachbarländer. Eine militärische Intervention Frankreichs mit der Unterstützung des Tschad verhinderte im Januar 2013 ein weiteres Vordringen der bewaffneten Gruppen in Richtung der malischen Hauptstadt Bamako. Frankreich ist im Rahmen der Operation Barkhane in der Region weiterhin aktiv. Seit 2013 ist eine UN-Mission zur Friedenserhaltung (MINUSMA) mit mehreren Tausend Soldaten im Land stationiert und eine europäische Ausbildungsmission von malischen Soldaten (EUTM) sowie Polizei- und Sicherheitskräften (EUCAP Sahel Mali) unterstützt das malische Militär in seinem Aufbau. Auch die deutsche Bundeswehr ist mit derzeit annähernd 1000 Soldatinnen im Rahmen der Missionen vor Ort präsent – vor allem zu Ausbildungszwecken und zur Aufklärungsarbeit. Die internationale Präsenz erwirkte im Jahr 2013 Präsidentschafts- und Parlamentswahlen. Die Amtseinführung des Präsidenten Ibrahim Boubacar Keita (IBK) war mit großen Hoffnungen verbunden, die weitestgehend enttäuscht wurden, da auch der amtierende Präsident das System von Korruption und Vetternwirtschaft fortsetzte. Nach monatelangen Verhandlungen konnte zwischen der malischen Regierung und anderen Konfliktparteien im Mai 2015 ein Friedensabkommen auf den Weg gebracht werden, das im Juni 2015 auch von der führenden Koalition der Rebellengruppen (Coordination des Mouvement de l´Azawad, CMA) unterzeichnet wurde. Ein Monitoringkomittee für die Umsetzung des Abkommens wurde eingesetzt und eine Kommission für Wahrheit, Gerechtigkeit und Versöhnung hat seine Arbeit aufgenommen. Zudem leistet das neu geschaffene Versöhnungsministerium einen aktiven Beitrag zur Partizipation der Bevölkerung am Friedensprozess. Dieser Prozess wurde vor allem im Jahr 2015 durch Konflikte zwischen regierungsnahen Milizen und Rebellengruppen gefährdet. Das Friedensabkommen sieht eine stärkere Dezentralisierung und regionale Machtverteilung sowie eine Reintegration der bewaffneten Gruppen vor. Trotz dieser positiven Ansätze wurden bisher kaum Fortschritte in der Implementierung des Abkommens gemacht und weite Teile Malis fühlen sich von der Regierung in Bamako vernachlässigt. Die eigentlich für 2015 geplanten Kommunalwahlen wurden aufgrund der Sicherheitslage immer wieder verschoben und fanden schließlich unter verheerenden Bedingungen im November 2016 statt. Die Präsidentschaftswahlen wurden trotz der prekären Sicherheitslage im Sommer 2018 durchgeführt. Einige Wahllokale blieben aufgrund der Sicherheitsgefahr auch letztendlich geschlossen und die Wahlbeteiligung war extrem gering. Dennoch konnte der Präsident IBK im Amt bestätigt werden. Im Vorfeld der Wahlen kam es zur Einschränkung der Versammlungsfreiheit und die Opposition machte auf Irregularitäten während der Wahlen aufmerksam.\\

Versöhnungsprozess
Amnesty International Deutschland unterstützt den malischen Versöhnungsprozess und den Dialog in der Zivilgesellschaft durch die Beteiligung an verschiedenen Aktionen des Netzwerks Fokus Sahel (www.fokussahel.de). Dieser Dialog muss alle Malier mit einbinden, von der zivilen Bevölkerung über religiöse Akteure bis hin zur Regierung.

Sicherheitslage
Im Verlauf der Friedensverhandlungen zwischen 2013 und 2015 sind viele neue bewaffnete Gruppierungen entstanden, die in den Gesprächen eine Möglichkeit sahen, an der politischen Neuausrichtung des Landes mitzuwirken, gleichzeitig jedoch auch zu einer Verschlechterung der Sicherheitslage beitragen. Auch in den darauffolgenden Jahren bildeten sich neue bewaffnete Gruppen – teilweise durch Abspaltungen – heraus, wodurch ein undurchsichtiges und sich ständig wandelndes Geflecht an verfeindeten und verbündeten Gruppierungen entstanden ist. Ein Interesse an Frieden im Land scheint fraglich, da kriminelle Handlungen (v.a. Waffen-, Drogen- und Menschenschmuggel) unter diesen Bedingungen Hochkonjunktur haben.
Trotz der andauernden Präsenz internationaler Kräfte im Land, kommt es immer wieder zu Anschlägen. Die Gewalt zwischen regierungsnahen und anderen bewaffneten Gruppen sowie entlang ethnischer Grenzen eskaliert zunehmend auch in Zentralmali um Gao, Mopti, Ségou und auch in der malischen Hauptstadt Bamako kommt es immer wieder zu Anschlägen, denen Zivilisten zum Opfer fallen. Seit Anfang 2018 sind bereits 65 Menschen durch Minen und Sprengsätze ums Leben gekommen. Dabei werden wiederholt auch Soldaten der internationalen MINUSMA-Mission Opfer von Minenangriffen und Terrorakten, wodurch MINUSMA derzeit als gefährlichste UN-Mission der Welt geht. Zunehmend wächst auch das Misstrauen der malischen Bevölkerung in die internationale Mission, deren Mandat eine aktive Terrorismusbekämpfung nicht vorsieht. Dies geht jedoch für die Bevölkerung an der Lebensrealität vorbei, da diese sich nicht mehr sicher fühlen. Wo der Staat oder die internationale Gemeinschaft keinen Schutz bieten kann, entstehen daher in immer mehr Regionen Bürgermilizen.
Infolge der seit Jahren andauernden Krise in Mali ist auch die Wirtschaft an einem Tiefpunkt angelangt. Die Arbeitslosigkeit ist enorm und v.a. junge Malier suchen daher ein Auskommen in den bewaffneten Gruppen, die mit teils hohen Geldbeträgen locken.

Gemeinsam mit Burkina Faso, Mauretanien, Niger und dem Tschad hat Mali im Jahr 2017 die Bildung einer gemeinsamen transnationalen militärischen Eingreiftruppe initiiert – der force conjointe der G5 Sahel. Diese 5000 Mann starke Truppe hat sich zum Ziel gesetzt, gegen Terrorismus, organisierte Kriminalität und Menschenschmuggel in der Region vorzugehen. Ohne die Implementierung von wirksamen Präventionsmechanismen besteht auch hier ein großes Risiko von menschenrechtswidrigen Handlungen durch die Soldat_innen, wobei den Soldat_innen bereits erste Fälle von unmenschlicher Behandlung und Folter von Gefangenen vorgeworfen werden. Die Truppe wird u.a. mit Geldern aus Frankreich, Deutschland und der EU finanziert und erhält Trainingsmaßnahmen im Rahmen der beiden EU-Ausbildungsmissionen.

Eine Spirale der Gewalt hat sich im Zeitraum 2018-2019 in Zentralmali zwischen traditionell Vieh züchtenden Angehörigen der Peulh und den Dogon bzw. Bambara entwickelt. Diese Konflikte haben bisher zu mehreren hundert Toten geführt, wobei selbsternannte Milizen ganze Dörfer durch Plünderungen und Zerstörungen unbewohnbar machten. Allein während eines Angriffs am 15. März 2019 in dem primär von Peulh bewohnten Dorf Ogossagou kamen 150 Menschen zu Tode. Am 9. Juni 2019 ereignete sich eine ähnlich tödliche Katastrophe in einem von Dogon bewohnten Dorf mit fast 100 Toten.

Aufgrund der prekären Sicherheitslage ist zudem die Arbeit von humanitären Organisationen (z.B. Rotes Kreuz) eingeschränkt, die immer schwerer Zugang zu vielen Landesteilen haben.

Flüchtlinge und Zugang zu Bildung
Sechs Jahre nach der Intervention in den Städten des malischen Nordens leben immer noch mehr als 100.000 Menschen außerhalb ihrer Heimat. Zahlreiche Menschen sind aus dem Norden und Zentrum Malis infolge der andauernden Bedrohungen in den Süden des Landes und in die Nachbarländer Niger, Mauretanien und Burkina Faso geflüchtet. Vor allem die hellhäutigen Malier fürchten in ihrer alten Heimat Vergeltungsanschläge. Zudem besteht in einigen Teilen Nord- und Zentralmalis weiterhin die Gefahr, durch Landminen und Anschläge verletzt oder getötet zu werden und Händler werden immer wieder von bewaffneten Gruppen auf ihren Handelsrouten erpresst oder bedroht.
Nur langsam kehren einige Familien in ihre Heimat zurück, wo sie häufig vor dem Nichts stehen. Neben der weiterhin prekären Sicherheitslage erschweren die teilweise noch funktionsunfähigen Verwaltungsstrukturen zusätzlich den Neunanfang. An Schulen, in Rathäusern und in Krankenhäusern fehlt es an Personal und Material. Infolgedessen sowie aufgrund von Drohungen durch die bewaffneten Gruppen sind derzeit mehr als 700 Schulen in Zentral- und Nordmali geschlossen – über 200.000 Kinder können ihr Recht auf Bildung nicht wahrnehmen.

Extralegale Hinrichtungen, Folter und Verschwindenlassen
Mit der internationalen Unterstützung war es der unterbesetzten und schlecht ausgebildeten malischen Armee Anfang 2013 möglich geworden, die verlorenen Gebiete im Norden zu befreien. Im Anschluss wurden immer wieder Fälle von Racheakten an Arabern und Touareg oder deren vermeintlichen Sympathisant_innen in Form von Verschwindenlassen und anschließenden außergerichtlichen Hinrichtungen bekannt. Im Fall von Ousmane Yatassaye wurden dem 40-jährigen Händler Verbindungen zu den bewaffneten Gruppen unterstellt. Er wurde auf Grundlage dieser Verdächtigungen verhaftet und drei Monate später tot von seiner Familie in Niono aufgefunden. Amnesty International hat zahlreiche solcher Fälle dokumentiert. Mit der zunehmenden Gefahr durch bewaffnete Gruppen in Zentralmali steigt auch der Einsatz von menschenrechtswidrigen Methoden auf Seiten des malischen Militärs und der Sicherheitskräfte. Willkürliche Festnahmen, Verschwindenlassen und außergerichtliche Hinrichtungen lassen die Angst vor dem malischen Sicherheitsapparat wachsen. Erst im März 2018 wurde in dem Dorf Dogo ein Massengrab mit sechs Personen entdeckt, die drei Tage zuvor vom malischen Militär verhaftet wurden.
Ebenso wenig hören die Übergriffe der bewaffneten Gruppen, vor allem Ansar Dine und der „Gruppe für die Unterstützung des Islams und der Muslime“, auf die Zivilbevölkerung auf. Weiterhin werden Menschen verschleppt und getötet, denen vorgeworfen wird, mit der malischen Armee oder den internationalen Truppen zu kooperieren bzw. zu sympathisieren. Immer wieder werden unschuldige Menschen durch Sprengsätze und Bombenattacken verletzt und nationale sowie internationale Geiseln befinden sich weiterhin in der Gewalt von bewaffneten Gruppierungen.
Inzwischen werden auch zunehmend Angehörige der Ethnie der Peulh unter Generalverdacht gestellt, mit den bewaffneten Gruppen zu kooperieren und werden immer wieder Opfer von willkürlichen Angriffen, die auch gewaltsame Reaktionen von Peulh-Milizen hervorrufen. So entstehen neue Unruhe-Herde im Zentrum Malis.

Meinungs- und Versammlungsfreiheit
Im Sommer 2017 brachen vor einem geplanten Verfassungsreferendum Demonstrationen aus. Gegen die Demonstrant_innen gingen die malischen Sicherheitskräfte mit Schlagstöcken und Tränengas vor. Acht Personen wurden dabei verletzt. Die Verfassungsreform wurde infolgedessen auf unbestimmte Zeit vertagt.
Darüber hinaus kam es bereits im Januar 2015 zu übermäßiger und nicht autorisierter Gewaltanwendung vonseiten einer UN-Polizeitruppe bei einer Demonstration bei Gao. Dabei wurden drei Menschen getötet und 13 weitere verletzt. Auch in Kidal kam es im April 2016 zu Protesten, die Berichten zufolge gewaltsam von MINUSMA-Angehörigen niedergeschlagen wurden. Bei einem weiteren Vorfall in Gao im Juli 2016 gingen malische Sicherheitskräfte gewaltsam gegen Demonstrant_innen vor und töteten dabei drei Menschen. Die Vorfälle werden derzeit untersucht.
Als Fortschritt ist ein neues nationales Gesetz zum Schutz von Menschenrechtsverteidiger_innen zu werten, das im Dezember 2017 von der Nationalversammlung angenommen wurde.

Haftbedingungen
Besorgniserregend sind die Haftbedingungen in malischen Gefängnissen – sie entsprechen nicht internationalen Standards. Die Haftzentren sind massiv überbelegt, bei einem Großteil der Inhaftierten handelt es sich um Untersuchungshäftlinge. Kinder wurden gemeinsam mit Erwachsenen auf engstem Raum eingesperrt. Den Inhaftierten werden eine angemessene medizinische Versorgung sowie der Kontakt zu Anwälten und Angehörigen verwehrt. Die Sicherheitskräfte versuchen, durch Folter und Misshandlungen, Geständnisse bezüglich möglicher Verbindungen zu den bewaffneten Gruppen zu erpressen. Inhaftierte, denen terroristische Verbrechen vorgeworfen werden, dürfen ihre beengten und stickigen Zellen nicht verlassen – teilweise sind sie dort seit 2013 inhaftiert. Es gibt zudem Hinweise darauf, dass nach wie vor das Geheimgefängnis „Sécurité d’Etat“ existiert.
Unter diesen verheerenden Umständen starben in einem Gefängnis in Bamako im April 2013 fünf Häftlinge. Die Verantwortlichen wurden bisher nicht zur Rechenschaft gezogen.

Menschenrechtsverletzungen an Frauen und Mädchen
Während der Besetzung des malischen Nordens durch die bewaffneten Gruppen kam es vermehrt zu Vergewaltigungen und Misshandlungen an Frauen und Mädchen. In den Städten Gao und Menaka waren vor allem Mitglieder der MNLA und MUJAO für diese Misshandlungen verantwortlich. Die wenigsten Opfer haben den Mut, ihre Peiniger bei der Polizei zu denunzieren, werden teilweise sogar von diesen unter Druck gesetzt, damit sie ihre Geständnisse zurückhalten. Auch der Zugang zu medizinischer Versorgung infolge eines Missbrauchs oder einer Vergewaltigung wird den Frauen erschwert. Trotz der Eindämmung des Machtspielraums der bewaffneten Gruppen durch die militärische Präsenz werden auch weiterhin die Rechte von Frauen und Mädchen eingeschränkt, und es kommt immer wieder zu Fällen sexueller Gewalt durch bewaffnete Gruppen. Im August 2017 wurden Frauen in Mopti ausgepeitscht, weil sie kein Kopftuch trugen. Lokalen Nichtregierungsorganisationen zufolge kam es seit der Intervention im Januar 2013 auch vermehrt zu Vergewaltigungen durch Angehörige der malischen Armee.

Neben den massiven Gefahren für Kinder in Mali durch den Konflikt haben vor allem minderjährige Mädchen in Mali unter der Einschränkung ihrer Rechte zu leiden. Immer wieder kommt es trotz eines gesetzlichen Mindestalters von 16 Jahren zu Zwangsverheiratungen von Mädchen unterhalb dieses Alters – manche sind dann nicht älter als 11 Jahre. Damit einhergehende Schwangerschaften von jungen Mädchen sind häufig mit enormen gesundheitlichen Risiken verbunden und verhindern, dass die Mädchen zur Schule gehen können.  Dies gilt ebenso für die immer noch weitverbreitet durchgeführte Beschneidung von Mädchen in weiten Teilen Malis.

Kindersoldat_innen
Der Einsatz von Kindersoldat_innen in Mali ist nicht mit der Rekrutierung im Kongo oder anderen afrikanischen Ländern zu vergleichen. Berichten zufolge wurden jedoch vor allem Kinder und Jugendliche zwischen 12 und 17 Jahren durch die bewaffneten Gruppen MUJAO und MNLA und regierungsnahe Bürgerwehren zwangsrekrutiert. Zum Teil wurden sie als Kämpfer_innen an der Front eingesetzt. Bei der Rekrutierung wurde den Jugendlichen eine gute Bezahlung und Sicherheit in Aussicht gestellt. Kinder und Minderjährige, denen die Mitgliedschaft in bewaffneten Gruppen vorgeworfen wird, wurden gemeinsam mit erwachsenen Häftlingen in Gefängnissen untergebracht. Einige der Kinder sprachen davon, dass sie von malischen Streitkräften gefoltert oder misshandelt wurden. Mali verstößt damit gegen das Völkerrecht. Während ein Großteil der Kinder und Jugendlichen wieder zu ihren Familien zurückgebracht wurde, befinden sich einzelne Minderjährige weiterhin in Haft.

Vor allem seit Beginn des Jahres 209 hat sich laut Angaben von UNICEF der Einsatz von Kindersoldat_innen in Mali im Vergleich zum Vorjahr enorm gesteigert.

Justizsystem und Straflosigkeit
Das malische Justizsystem ist schwach und wird den internationalen Standards kaum gerecht. In Nord- und Zentralmali sind nach wie vor viele personelle Posten unbesetzt und auch die fortbestehende Korruption trägt zu einem Klima der Straflosigkeit in Mali bei. Es kann daher kaum einen Beitrag zur nationalen Versöhnung leisten. Faire Gerichtsverfahren sind unter diesen Umständen weder für die inhaftierten Terrorverdächtigen noch für die Gegenputschisten vom Mai 2012 zu erwarten. Im November 2013 wurde General Sanogo verhaftet und für das Vorgehen gegen die Gegenputschisten angeklagt. Der Prozess stockt jedoch seit 2016. Auch bei der Strafverfolgung der Gruppen, die die Malier_innen monatelang im Namen der Scharia tyrannisierten und auch weiterhin Anschläge verüben, werden kaum Fortschritte gemacht. Auch wenn bisweilen bekannte Mitglieder dieser Gruppierungen verhaftet werden, kommt es nur selten zu einem Strafprozess. Im Vorfeld der Unterzeichnung des Friedensabkommens im Juni 2015 wurden sogar Verdächtige ohne Anklage wieder freigelassen. Positiv zu bewerten ist daher die Verurteilung des früheren Leiters der Islam-Polizei von MUJAO, Aliou Mahamane Touré, zu zehn Jahren Gefängnis im Sommer 2017. Ein Fortschritt ist auch auf internationaler Ebene zu verzeichnen: Im Oktober 2015 wurde das erste Verfahren gegen einen Rebellen-Anhänger wegen der Zerstörung wertvoller Kulturstätten in Timbuktu vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag eingeleitet. Der Angeklagte wurde 2016 zu neun Jahren Haft verurteilt und die Ermittlungen in anderen Fällen gehen weiter. Die mit dem Friedensabkommen 2015 geplante internationale Untersuchungskommission zu Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen im Land hat ihre Arbeit hingegen bisher noch nicht aufgenommen.

Todesstrafe
Die Todesstrafe ist in Mali nicht verboten. Seit mehreren Jahrzehnten hat es in Mali keine Hinrichtungen gegeben, dennoch wurden nach wie vor Todesurteile verhängt.

Migrationspolitik
Infolge der immer schlechter werdenden Sicherheitslage in der Region machen sich viele v.a. junge Menschen auf den Weg in eine bessere Welt ohne Krieg und Armut. Mali gilt in der Region sowohl als Herkunfts- als auch als Transitland für Flüchtende.

Besorgniserregend ist in diesem Kontext vor allem, dass verschiedene Maßnahmen der EU vordergründig die Bekämpfung der Migrationsströme aus Westafrika zum Ziel haben. Die traditionelle Reise- und Bewegungsfreiheit in der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) wurde vor diesem Hintergrund in den letzten Jahren bereits massiv eingeschränkt. Strenge Pass- und Ausweiskontrollen können dabei für Bevölkerungsgruppen, deren Lebens- und Arbeitsalltag stark vom Reisen zwischen unterschiedlichen Orten und über Grenzen hinweg geprägt ist, existenzbedrohende Folgen haben.

In den vergangenen Jahren erfolgte durch die EU eine Ummandatierung von EU-Missionen, die zum Schutz der Zivilbevölkerung oder zur Ausbildung von (nationalen) Sicherheitskräften für den Schutz der Zivilbevölkerung in bewaffneten Konflikten in westafrikanischen Ländern eingerichtet wurden. Der Schwerpunkt dieser Missionen wurde beispielsweise im Falle der EUTM Mali (EU Training Mission) vom Schutz der Zivilbevölkerung hin zu Grenzschutz und Migrationsmanagement verlagert, obwohl sich die Sicherheitssituation im Land nicht verbessert hat. Auch das Mandat von EUCAP Sahel Mali wurde 2017 um die Möglichkeit einer Unterstützung Malis im Grenz- und Migrationsmanagement erweitert. Die Ummandatierungen bzw. Erweiterungen bergen das Risiko der Gefährdung des Schutzes der Zivilbevölkerung und schränken die Rechte von Migrant_innen ein und sind somit menschenrechtlich äußerst problematisch. Auch die Aufgaben der transnationalen Eingreiftruppe der G5 Sahel, die seit 2016 operationell auch durch EUTM Mali unterstützt wird, umfassen Grenzschutz und Migrationsmanagement, wobei Menschenrechtsverletzungen wie exzessiver Gewalteinsatz, Folter und Misshandlung nicht auszuschließen sind.

Besorgniserregend ist zudem eine schleichend zunehmende Kopplung der Entwicklungszusammenarbeit der Bundesregierung an eine aus EU-Sicht erfolgreiche Migrationspolitik im Sinne einer erleichterten Rücknahme von malischen Asylbewerber_innen.

Berichte zu Mali

Amnesty Report 2018 zur Menschenrechtslage in Mali

Amnesty Report 2017 zur Menschenrechtslage in Mali

Interview mit Saloum Traoré, Direktor von Amnesty International Mali

 

Aktuelle Beiträge zu Mali

5. März 2024