Menschenrechtsverletzungen in dem Konflikt in Burkina Faso

Nach dem Putsch im Jahre 2014 herrschte lange Unklarheit, wie es mit Burkina Faso weitergehen würde. Nachdem 2015 schließlich Wahlen stattfinden konnten und mit Roch Marc Christian Kaboré ein neuer Präsident gewählt wurde, kam sehr viel Bewegung ins Land. Es wurden viele neue Gesetze, auch zur Stärkung der Menschenrechte, verabschiedet und die Zivilgesellschaft in den Städten erlebte einen Aufschwung. Gleichzeitig kam es im Norden und Osten dieses Landes zu immer mehr Kämpfen und Toten. Da Die Regierung diese Teile des Landes nicht mehr effektiv unter Kontrolle hatten, schlossen sich die Menschen selbst zu Selbstverteidungstruppen zusammen. Gleichzeitig enstanden auch immer mehr islamistische Gruppen, die entweder aus den Nachbarländern nach Burkina kamen oder direkt Einfluss auf die von Armut betroffenen Menschen nahmen. Dieser Beitrag versucht aufzuzeigen, welcher Zusammenhang zwischen den Entwicklungen im Land und der steigenden Anzahl von Menschenrechtsverletzungen besteht.

Die in den Medien am präsenteste Bedrohung sind die Angriffe durch die dschihadistischen Gruppen, die es allerdings auch schon vor 2014 gab. Die Angriffe der dschihadistischen Gruppen im Norden Burkina Fasos nahmen im Laufe der Zeit aber immer weiter zu und erreichten in 2019 ihren vorläufigen Höhepunkt, wobei die Zahle der Attacken noch einmal rasant zu nahm. Besonders im Norden und Osten des Landes kam es vermehrt zu Angriffen mit vielen Toten, allein von Januar bis August 2018 wurden 900 Personen getötet. Nach einem Bericht der UNO hat die Regierung Burkina Fasos die Kontrolle über weite Teile des Nordens und des Ostens Burkina Fasos an die Dschihadisten verloren. Burkina Faso ist in der ganzen Sahel-Zone das Land mit den meisten dschihadistischen Angriffen.

Die Gegenmaßnahmen der Regierung führten ebenfalls häufig zu Toten und schafften ein großes Misstrauen der ländlichen Bevölkerung gegenüber den Eliten. Insbesondere seit Beginn des Jahres 2019 haben die Sicherheitskräfte ihre Anstrengungen verschärft, wobei es auch immer wieder zu gezielten Tötungen, Kindappings und Angriffen auf die Zivilbevölkerung kam. Es wird geschätzt, dass dabei etwa 200 Personen ohne Gerichtsverhandlung exekutiert worden, wobei die Verbindung dieser Personen zum Dschihadismus nicht immer sicher ist.

Dies erleichterte es wiederum den Dschihadisten noch mehr Einfluss auf die Landbevölkerung in dem vom Armut und Unsicherheit gebeutelten Norden und Osten des Landes zu nehmen. Parallel zu diesen Vorgängen gab es auch unterhalb der Bevölkerung in den ländlichen Gebieten immer weiter eskalierende Auseinandersetzungen über Land, verstärkt durch die schlechten Ernten und die Migrantenströme aus Mali.

Auch unabhängig von den Dschihadisten kam es schon seit Anfang der 2010er verstärkt zu Überfällen und Aufständen. Daraufhin bildeten sich die Koglweogo, bewaffnete lokale Gruppen, die gegen Verbrechen und Unsicherheit ankämpften. Im Laufe der Zeit wurden diese Gruppen aber immer mächtiger und begannen auch Steuern einzuziehen und Gerichtsverhandlungen durchzuführen. Die Regierung plante gegen diese Gruppen vorzugehen, setzte diese Pläne aber nicht um, vermutlich da ihnen die Ressourcen fehlten und diese Gruppen in der ländlichen Bevölkerung und starke Rückendeckung haben. 2018 wurde ein Mitglied einer Koglwegogo-Gruppe festgenommen, worauf die anderen Mitglieder gewaltsam die Freilassung erzwangen.

Die Koglweogo genannte Selbstverteidigungsmiliz, die sich hauptsächlich aus Bauern und Viehzüchtern zusammensetzte, beging zahlreiche Menschenrechtsverstöße wie tätliche Angriffe und Entführungen. Zivilgesellschaftliche Organisationen warfen den Behörden vor, zu wenig unternommen zu haben, um solche Verstöße zu verhindern. Der Justizminister versprach, den Aktivitäten der Miliz ein Ende zu setzen. Im Oktober 2016 wurde ein Dekret verabschiedet, das die Aktivitäten der Miliz eindämmen sollte.

Im September 2016 wurden vier Mitglieder der Koglweogo, die im Zusammenhang mit einer Versammlung von Bewaffneten angeklagt worden waren, zu einer sechsmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt. 26 weitere erhielten Bewährungsstrafen zwischen zehn und zwölf Monaten.

Anfang 2019 kam es zu einem Massaker in Yirgou, bei dem nach offiziellen Angaben 49 Personen getötet haben, nach Angaben einiger Menschenrechtsorganisationen über 200. Am 23. Dezember 2019 wurde nach Untersuchungen ein Anführer der Koglweogo verhaftet und am 4. Februar 2020 wieder vorübergehend freigelassen.

Im März 2020 fand ein weiterer Höhepunkt der Gewalt in Burkina Faso statt als mindestens 43 Personen durch die Koglweogo getötet wurden. Am 8. März wurden drei Dörfer durch die Selbstverteidigungsmilizen geplündert, wobei offenbar wahrlos Menschen getötet wurden. Die Angreifenden wurden dabei von Augenzeugen gegenüber Amnesty International als Koglweogo identifiziert.

Die Angriffe sind auch deswegen so erschreckend, da die Regierung erst im Januar das “Loi sur les volontaires pour la défense de la patrie” verkündet hat, durch das auf lokaler Ebene Freiwillige mobilisiert und mit Waffen ausgestattet werden sollen, um die Militäreinsätze zu unterstützen. Damit werden gerade diese Gruppen unterstützt, damit sie zusammen gegen die Dschihadisten kämpfen können. Diese Kooperation könnte dazu führen, dass die Regierung Menschenrechtsverletzungen wie den Angriff am 8. März 2020 ignoriert, um keine Einsatzkräfte zu verlieren.

In bestimmten Gebieten Burkina Fasos findet also ein ständiger Machtkampf zwischen der Regierung (unterstützt durch Frankreich), den Koglweogo, Banditen und Dschihadisten statt, der diese Regionen immer weiter aufzehrt. Infolgedessen sind nach der UNHCR 865.000 Personen innerhalb von Burkina Faso auf der Flucht.

Ansprechpartner: Lukas Granrath – lukas.granrath@amnesty-westafrika.de

11. November 2020