Senegal

Hintergrund

Das Land ist eine ehemalige französische Kolonie. Frankreich besitzt in der Hauptstadt Dakar noch eine Militärbasis. Charakteristisch sind die islamischen Bruderschaften, z.B. die Mouriden, die eine z.T. calvinistisch anmutende Arbeitsethik propagieren. Es gibt weder größere ethnische noch religiöse Auseinandersetzungen. Das Land hat wenig eigene Rohstoffe – Fischfang, Erdnussplantagen und Tourismus sind wichtige Einnahmequellen.

Nach der Unabhängigkeit 1960 wurde der Senegal zunächst von dem Präsidenten Leopold Senghor autoritär geführt. Unter seinem Nachfolger öffnete es sich in den 1990er Jahren einem Mehrparteiensystem. Inzwischen hat der Senegal in den Jahren 2000 sowie 2012 eine demokratischen Machtwechsel erlebt. Die Zivilgesellschaft ist durchaus aktiv, bei den Medien sind vor allem kleine, unabhängige Radiostationen wichtig. Menschenrechtsorganisationen, wie RADDHO und AI Senegal, können größtenteils problemlos agieren.

Der gegenwärtige Präsident heißt Macky Sall, das ihm nahestehende Parteienbündnis Benno Bokk Yakaar hat die Mehrheit im Parlament. Im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen vom Februar 2019 wurden schwere Vorwürfe gegen die Regierung erhoben, aussichtsreiche Oppositionspolitiker von der Kandidatur auszuschließen. So wies der Verfassungsrat eine große Anzahl von Kandidaturen aus teils schwer nachvollziehbaren, formalen Gründen zurück. Weitere aussichtsreiche Bewerber haben andere Probleme: Zum einen Khalifa Sall, ehemaliger Sozialist, von 2009 bis 2018 Bürgermeister von Dakar, der 2018 wegen Korruption zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurde. Das Verfahren gegen ihn wurde vom ECOWAS Gerichtshof kritisiert. Im September 2019 wurde Khalifa Sall vom Präsidenten begnadigt und freigelassen. Zum anderen Karim Wade, Sohn des ehemaligen Staatspräsidenten, der ebenso wegen finanzieller Machenschaften zu gewaltigen Geldbußen und Gefängnisstrafe verurteilt wurde. Auch die Verfahren gegen ihn wurden kritisiert, z.B. vom der Afrikanischen Kommission für Menschenrechte.
Macky Sall wurde im ersten Wahlgang mit 58% der Stimmen wiedergewählt, auf den zweiten Platz kam Ex-Premier Idrissa Seck mit ca. 20%.

 

Menschenrechtslage

Straflosigkeit
Am Vorabend der Beratungen der afrikanischen Kommission für die Rechte der Menschen und Völker im Mai 2015 hat Amnesty International die Menschenrechtssituation des Senegal auf vielen Gebieten angeprangert und konkrete Empfehlungen ausgesprochen. In vielen Bereichen bestehen bereits Gesetze, die die Menschen vor der Willkür seitens der Sicherheitskräfte schützen – die tägliche Praxis sieht jedoch anders aus. Eine konkrete Maßnahme wäre, das 2012 geschaffene Amt des Nationalen Beobachters der Haftanstalten anständig personell und finanziell auszustatten. Ferner müßte es klarere Anweisungen für Polizei und Gendarmerie zum Umgang mit Untersuchungshäftlingen geben sowie Richtlinien für Richter, welche Geständnisse akzeptabel sind oder nicht.

Exzessive Gewaltanwendung
Die Sicherheitskräfte setzten in den vergangenen Jahren immer wieder übermäßige Gewalt ein, um die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten. Im Mai 2020 schoss die Gendarmerie mit Tränengas auf eine Pressekonferenz von Jugendlichen in der Stadt Cap Skirring, die auf den Mangel an Trinkwasser in der Stadt aufmerksam machen wollte. Mindestens zwei Teilnehmende wurden dabei schwer verletzt. 

Am 8. März 2021 wurden 14 Menschen bei Demonstrationen im Senegal getötet. Darunter war Cheikh Wade, der in Dakar erschossen wurde. Ein Video, das in den sozialen Medien weite Verbreitung fand, zeigte ihn am Boden liegend, nachdem ein Mitglied der Sicherheitskräfte mit einer Pistole auf ihn geschossen hatte. Der Autopsiebericht bestätigte seinen Tod durch eine Feuerwaffe. Seine Familie reichte am 26. Mai 2021 über seinen Anwalt eine Klage bei einem Richter des Berufungsgerichts in Dakar und beim Generalstaatsanwalt des Obersten Gerichtshofs ein. Die Proteste, die in diesem Zeitraum in Dakar stattfanden, wurden von den Sicherheitskräften gewaltsam unterdrückt, wobei mindestens vierzehn Menschenleben zu beklagen waren. Ende 2021 war trotz der von den Behörden gemachten Zusagen noch keine gerichtliche Untersuchung eingeleitet worden.

Folter

Militär, Gendarmerie und Polizei haben sich seit Staatsgründung immer wieder durch regelmäßige Menschenrechtsverletzungen schuldig gemacht – Folter in Polizeihaft (garde à vue), Inhaftierung ohne Anklageerhebung und Gerichtsverfahren. Seit 2007 haben sich mindestens sieben Fälle von ungeklärtem Tod in Haft ereignet. Eine Strafverfolgung müssen sie nur in den allerwenigsten Fällen befürchten: Seit 2006 hat es sechs sehr milde Verurteilungen von Beamten gegeben.

Vielmehr muss von einem routinemässigen Gebrauch von Folter und Misshandlungen durch die Sicherheitskräfte gesprochen werden – Elektroschocks, Waterboarding, Verbrennungen. In dem ai-Bericht wird ein Fall vom Februar 2015 genannt – das Gericht aktzeptierte die Geständnisse zweier wegen Mordes angeklagter Männer, die eindeutig aufgrund von Folter zustande gekommen waren. Die zuständige UN-Kommission hat den Senegal auch wegen dieser Praktiken kritisiert.

In diesem Zusammenhang müssen die im Oktober 2016 verabschiedeten Gesetze zur Bekämpfung von Terrorismus und Cyberkriminalität kritisch gesehen werden, da sie die Verlängerung der Garde à vue auf 12 Tage ermöglichen. Auch andere Bestimmungen dieser Gesetze können dazu dienen, kritische Journalist_innen, Menschenrechtsaktivist_innen und die politische Opposition mundtot zu machen.

Freiheit der Meinungsäusserung
Gesetzliche Grundlage für willkürliche Verhaftungen sind die von Gerichten weit auszulegenden Bestimmungen, die Beleidigungen des Staatschefs, Aufruhr und Störung der öffentlichen Ordnung ahnden. Daher müssen Journalisten, Blogger und andere Menschenrechtsverteidiger häufig fürchten, dass ihr zivilgesellschaftliches Engagement rechtliche Konsequenzen haben kann. Im Juni 2020 verhaftete die Polizei Assane Diouf, nachdem er die Regierung in einer Live-Videodiskussion kritisiert hatte. Er blieb unter anderem wegen Anstiftung zu einer bewaffneten Versammlung und öffentlicher Beleidigungen im Internet in Haft. 

Am dritten März 2021 wurde Ousmane Sonko, dessen parlamentarische Immunität wegen eines Vergewaltigungsfalls, in dem er angeklagt ist, aufgehoben wurde, auf dem Weg ins Gericht verhaftet. Als Grund wurde die Präsenz von Demonstrierenden auf der Route genannt. Seine Unterstüzter_innen gingen daraufhin in mehreren Städten auf die Straße, wurden jedoch oft von den Sicherheitskräften angegriffen und festgenommen. Die Proteste forderten mehrere Opfer, darunter Cheikh Wade. Sonko wurde freigelassen, darf das Land jedoch auf richterliche Anordnung hin nicht verlassen. Das Verfahren gegen ihn scheint ins Stocken geraten zu sein.

Sexualität

In der Vergangenheit wurden Homosexuelle gelegentlich staatlich verfolgt bzw. nicht durch die Behörden geschützt. Gesetzliche Grundlage sind sehr dehnbar auslegbare Anklagen wegen „unanständigen Verhaltens“ gewesen. Allerdings besteht offenbar eine Diskriminierung im Gesundheitswesen: Homosexuelle werden von staatlichen Aidsvorsorgeprogrammen ausgeschlossen – sagt die NGO TOSTAN. Bei seinem Besuch in Dakar im Juni 2013 hat US-Präsident Obama das Thema angesprochen, nachdem Amnesty International wenige Tage zuvor den Bericht “Making Love a Crime” über die Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung in Schwarzafrika veröffentlicht hatte. In ihrer Stellungnahme zu den Empfehlungen der UPR (s.oben) weigerte sich die Regierung, spezielle Gesetzesregelungen zm Schutz von Homosexuellen zu schaffen. Es herrscht nach wie vor ein Klima der Angst unter Homosexuellen.

Human Rights Watch hat mehrfach auf die sexuelle Gewalt gegen Schülerinnen an Sekundarschulen hingewiesen.

Recht auf Gesundheit
Im Juni 2020 drohte die Ärztegewerkschaft SAMES mit Streiks wegen der unzureichenden Bereitstellung von persönlicher Schutzausrüstung und anderen Ressourcen für die Bewältigung der COVID-19-Pandemie, und Ärzt_innen an vorderster Front drohten mit Streiks aufgrund von nicht gezahlter Gehälter und schlechter Arbeitsbedingungen.

Die Haftanstalten sind überfüllt, und die Gesundheitsrisiken für die Insassen wurden durch COVID-19 noch verschärft. Im Oktober 2020 gab es 10.804 Häftlinge, von denen sich 5.052 in Untersuchungshaft befanden. Zwischen März und September 2020 entließ die Regierung als Reaktion auf die COVID-19-Pandemie 3.731 Häftlinge. Der Tod von zwei an COVID-19 erkrankten Häftlingen im Gefängnis von Thiès führte zu Hungerstreiks von Häftlingen, die Massentests forderten.

Rechte von Kindern

Koranschüler_innen wurden Berichten zufolge immer wieder von ihren Lehrer_innen gefoltert und anderweitig misshandelt. Im Februar 2020 wurde ein 13-jähriger Junge in der Stadt Louga von seinem Lehrer zu Tode geprügelt. Im März 2020 verurteilte das Strafgericht von Dakar einen Koranlehrer wegen „Körperverletzung an einer Person unter 13 Jahren” zu zehn Jahren Haft; ein weiterer Mitarbeiter wurde zu fünf Jahren Haft verurteilt, weil er dem Opfer keine Hilfe geleistet hatte. Ende 2021 kursierten Bilder von angeketteten Schüler_innen an Koranschulen im Internet.

Als Reaktion auf die COVID-19-Pandemie hat die Regierung nach eigenen Angaben 2020 2.015 Kinder von der Straße geholt, 1.424 von ihnen an ihre Familien zurückgegeben und die übrigen in staatlichen Einrichtungen untergebracht.

FGM
Seit 1999 ist FGM im Senegal verboten. Die Praxis ist im Westen des Landes, bei den größten Ethnien des Landes, den Wolof und den Serer, nicht verbreitet. Hingegen kommt der Osten des Landes auf eine Rate von 80 %. Und hier hat sich der Staat bislang nicht sehr bemüht, FGM zu unterbinden.

Berichte zu Senegal

Amnesty International Report 2020 zur Menschenrechtslage im Senegal

Aktuelle Beiträge zu Senegal

5. März 2024