Hintergrund
Stand: März 2020
Ghana ist ein Land mit einem demokratischen System, in dem schon mehrmals ein Regierungswechsel nach Wahlen stattgefunden hat, so auch im Dezember 2016. Präsident ist seitdem Nano Addo Dankwa AKUFO ADDO (NPP), der im dritten Anlauf die Wahlen gewann. In Ghana existiert eine aktive Zivilgesellschaft, die Pressefreiheit besteht. Englisch ist seit der Kolonialzeit die wichtigste Verkehrssprache.
Das politische System leidet unter der Spaltung in zwei Lager – NPP und die bis letztes Jahr regierende NDC. Obwohl insgesamt die ethnischen Spannungen, u.a. dank vieler interethnischer Ehen, abgenommen haben, hat sich diese Spaltung durch äußerst polemische Wahlkampfführung und Übergriffe vertieft. Die Fälle von Missbrauch der Meinungsfreiheit häufen sich. Die jeweils regierende Partei verfügt automatisch über den Zugriff auf ganz viele Schalthebel, Positionen und Pfründe im öffentlichen Dienst – häufig werden sie aufgrund von Parteiloyalität anstelle von Leistung und Eignung vergeben.
Wirtschaftlich steht das Land besser da als die meisten Nachbarn in Westafrika. Vor einigen Jahren wurden Off-Shore Ölvorkommen an der Küste vor der Hafenstadt Takoradi entdeckt – es bleibt abzusehen, wie die Gesellschaft mit diesem Reichtum umgehen wird. Bekanntlich sind die Ölpreise nach wie vor nicht hoch. Die Jugendarbeitslosigkeit ist weiterhin sehr hoch. Daher haben seit Anfang des Jahrtausends viele Ghanaer probiert, per Boot oder durch die Wüste in Gebiete der EU auszuwandern. Die Herausforderung bleibt, die Abhängigkeit von Rohstoffexporten durch eine Industrialisierung zu verkleinern. Ebenso gilt es, überhaupt den formellen Wirtschaftssektor zu vergrößern, da nur dort stabile Einkommen und Zugang zu Sozialleistungen gegeben sind. Der informelle Sektor soll derzeit 85% der Wirtschaftsleistung erbringen. Die Staatsverschuldung – wie auch die Inflation – sind enorm – das Land ist stark abhängig vom IWF.
Menschenrechtssituation
Haftbedingungen
Die Situation in den Gefängnissen ist geprägt von Überfüllung, schlechten sanitären Verhältnissen, schlechter Versorgung erkrankter Häftlinge und mangelhafter Ernährung. Das gilt sowohl für Untersuchungshäftlinge als auch Verurteilte. Erschwert wird die Lage durch die langen Zeiten bis zum Beginn gerichtlicher Verfahren. Z.T. verbringen Untersuchungshäftlinge Jahre hinter Gittern, ohne dass in ihrem jeweiligen Fall etwas geschieht. Ghana sollte mehr finanzielle Ressourcen in den Justizsektor, einschließlich der Haftanstalten, einsetzen. Amnesty hat im Jahre 2012 eine Aktion zu dem Thema geführt (externer Bericht: Prisoners are bottom of the pile). Im März 2013 hat die Regierung Verbesserungen angekündigt.
Todesstrafe
Die letzten Hürden zur Abschaffung der Todesstrafe sollten genommen werden. Dies würde ebenfalls die Situation der ca. 150 Häftlinge im Todestrakt verbessern, denn es werden weiterhin Todesurteile gefällt. Vollstreckt werden Todesurteile seit 1993 nicht mehr. Amnesty International hat im Juli 2017 zu diesem Thema einen größeren Bericht Locked up and forgotten: The need to abolish the death penalty in Ghana und eine Presseerklärung veröffentlicht.
Die politische Klasse des Landes steht der Abschaffung der Todesstrafe wohlwollend gegenüber, scheut aber das notwendige Referendum, das allein die Todesstrafe aus der Verfassung tilgen könnte. Amnesty Ghana verfolgt daher den Weg, über Forderungen nach einem Moratorium und der Abschaffung derjenigen Delikte aus dem Strafrecht, die bislang die Todesstrafe erfordern, ein De-facto Abschaffung zu erreichen.
Illegale Vertreibungen aus Slums
Im Januar 2012 sind ca. 1500 Menschen aus Slums im Großraum Accra vertrieben und ihre Häuser zerstört worden. Dies geschah auf Initiative der Accra Metropolitan Authority, die ein von Chinesen finanziertes Eisenbahnprojekt vorantreiben will. Dank der Arbeit etlicher NGOs vor Ort, insbesondere in Accra, konnte andererseits eine Verbesserung der Lage von Bewohnern von bedrohten Slums erreicht werden. Allerdings ist es weiterhin notwendig, auf den Respekt der Bürgerrechte dieser Menschen zu dringen. Dabei geht es u.a. um ein faires Konsultationsverfahren sowie das Bereitstellen von alternativen Wohngebieten.
In diesem Zusammenhang muss auf die äußerst gesundheitsschädliche Auswertung von Elektroschrott in Agbogbloshie, einem Slum von Accra, aufmerksam gemacht werden. Seit 2017 ist hier auch die GIZ engagiert. Weltweit wurde das Problem durch den Dokumentarfilm Welcome to Sodom (2018) bekannt.
Rechte von Homosexuellen/Lesben
Im März 2012 kam es in James Town/Accra zu Gewalttaten gegen ein lesbisches Paar, das auch vorübergehend festgenommen wurde. Im März 2013 hat die Regierung erklärt, sie würde einerseits Homosexuelle etc. gegen kriminelle Angriffe schützen, andererseits werde das gesetzliche Verbot gleichgeschlechtlicher Partnerschaften nicht aufgehoben. Das homophobe Klima wird oft durch Äußerungen höherer Beamte in den Regionen gefördert.
Partnerschaft Amnesty Ghana – Amnesty Deutschland
Seit Januar 2011 haben die beiden Amnesty-Sektionen eine Partnerschaft. In den ersten zwei Projektjahren ist vieles angestoßen worden: Delegationen aus Ghana sind auf Kogruppentreffen und Jahresversammlungen von Amnesty Deutschland aufgetreten, haben Workshops für die deutsche Mitgliedschaft abgehalten, nebst etlichen Besuchen bei unseren Gruppen und Bezirken. U.a. sind daraus etliche Gruppenpartnerschaften entstanden. Ferner wurden im Rahmen der Projektreisen zahlreiche Trainingseinheiten mit dem Ziel, aus best practice zu lernen, organisiert.
Der deutsche Amnesty-Vorstand hat die Partnerschaft noch einmal um zwei Jahre verlängert – mit dem Ziel, die angefangenen Aktivitäten zum Ende zu führen. Die finanzielle Unterstützung durch unsere Sektion soll Amnesty Ghana in die Lage versetzen, ihre höchst erfolgreiche Jugendarbeit, vor allem an High Schools und Universitäten, zu verbessern. Bereits jetzt haben in Ghana etliche High Schools das Etikett einer Human Rights Friendly School – eine Möglichkeit der Profilbildung von Schulen, die sicherlich auch in Deutschland Verbreitung finden sollte. In dieser Projektphase geht es vor allem um die weitere Schulung von Multiplikatoren. Delegationen von Amnesty Ghana haben an Treffen der Jugendgruppen teilgenommen.
Ein anderer Schwerpunkt der Sektionspartnerschaft soll die Weiterentwicklung der bestehenden Partnerschaften auf Gruppenebene sein. Derzeit sind es fünfzehn.
Amnesty Ghanas Mitgliedschaft hat sich in der Zeit der Partnerschaft vervierfacht. Markenzeichen der ghanaischen Sektion sind die Jugendarbeit, Menschenrechtsbildung und die Präsenz auf dem gesamten nationalen Territorium, also nicht nur in der Ballungsgebieten an der Küste.
Amnesty Report 2018 zur Menschenrechtslage in Ghana
Amnesty Report 2017 zur Menschenrechtslage in Ghana
Aktuelle Beiträge zu Ghana